Mittwoch, 12. Februar 2014

Wildes Blut

Lieber Opa,
danke für das wilde Blut! Heute wärest du 80 Jahre alt geworden. Allerdings hast du schon vor 4 Jahren beschlossen, dass deine Zeit auf Erden um ist und hast dein Herz einfach stehen lassen. Bei einer deiner liebsten Beschäftigungen. Dem Kuchen essen. Ganz still und heimlich. So wie dein Leben, so war dein Tod. Immer für eine Überraschung gut. Meist aus der Stille und von "so um die Ecke" kam deine Botschaft. Immer mit diesem Schalk im Nacken und dem Blitzen in den Augen.

Du hattest Parkinson. Und auch wenn deine Krankheit dich gebeugt hat, bliebst du immer aufrecht. Selbst dein Humor fiel dir nicht aus der Tasche. Auf den hast du aufgepasst und ihn im richtigen Moment verteilt.

Ich weiß noch euren Umzugstag. Es sollte in ein barrierefreies Haus gehen. Das mit dem Gehen war nur so eine Sache. Deine Beine waren anderer Meinung. Und so standen wir fast eine Stunde oben am Treppenabsatz vor eurer alten Wohnung. Schließlich ließen sie sich doch erweichen und trugen dich mit Müh und Not ins Auto. Kaum das wir alle im Auto saßen sagtest du zu deiner Tochter, meiner Mutter: "Mien Deern, dann guck mal, dass du einen Parkplatz unter ´ner Laterne findest, dass ich heute Nacht wenigstens etwas lesen kann." Es blieb kein Augen trocken. Vor Lachen und Berührung. Das hat mich tief beeindruckt. Dieses wilde Herz gefangen in einem immer regloser werdenden Körper. Das nicht klein beigab, sondern immer heiter weiter schlug, Das mit jedem Puls das Lachen und die Freude teilte. Voller Liebe und Wertschätzung. Nie ein böses Wort. Stets voller Leichtigkeit.
So kenn ich dich. Mit so vielen Flausen im Kopf, dass ich mich wunderte, dass sie nicht zu den Ohren heraus kamen. Deinen Kindern erzähltest du, dass du Rollschuhweltmeister in Brasilien gewesen wärest. Du wärest mit Rollschuhen aus einem Flugzeug abgesprungen und bis ins Ziel gerollt und an der Elbe hättest du eine Villa für deine Pudel, denen du einmal im Monat deine alten Sachen zum auftragen bringen würdest. Lachen war dein Leben. Still und bebend.

Im Nachhinein hatte ich das Gefühl, als hättest du aus einem stillen Wissen heraus dein Leben vorgeholt. In deiner Jugend all die Wildheit gelebt, die später nicht mehr möglich war. Du hast nicht nur bunte Geschichten erzäht, du warst auch jüngster Motorrad-Rennfahrer, der Meisterschaften gewann und Unternehmer.

Und dieses Blut fließt in meinen Adern. Es beginnt zu brodeln, sobald ich auf Menschen treffe, die ähnlich ticken. Die Nichts scheuen und die Freiheit und das Abenteuer lieben, wie nichts Zweites. Dann wacht es auf und bringt mich zum Vibrieren. Ich kann gar nichts dafür. Ich weiß nur, wenn ich es lebe, befreit es nicht nur mich. Es weckt das wilde Blut auch in anderen. Noch ist es zaghaft, aber es ist hungrig...

Danke, lieber Opa, für das Leben voller Wildheit! Jedes Schlagen meines Herzen ist ein Gruß an dich. An deine Liebe. Ich danke dir, dass ich so bin, wie ich bin.

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